Eine Burschenschaft stellt sich vor
Die Wiener akademische Burschenschaft Moldavia stellt sich vor
Nach längerer Vertagung im Jahr 1995 reaktiviert, hat sich die 1872 gegründete Burschenschaft Moldavia in kurzer Zeit hohes Ansehen und große Bekanntheit in der Wiener Korporationsszene erworben. Im Geschäftsjahr 2013 hat die Wiener akademische Burschenschaft Moldavia den Vorsitz im Wiener Korporationsring (WKR) übernommen.
Vom Böhmerwald nach Wien
Im Reich der Habsburger entwickelt sich die burschenschaftliche Bewegung in festen Strukturen erst nach der Niederschlagung der Revolution im Jahre 1859. So beginnt die Geschichte unserer Moldavia in Wien fast 60 Jahre nach der Gründung der Urburschenschaft. Zahlreiche Absolventen höherer Schulen aus dem Böhmerwald fanden sich 1872 an der Universität in Wien wieder und gründeten den „Deutsch-Akademischen Verein“ unter den Farben schwarz-rot-gold. Umgewandelt in eine akademische Verbindung, nahmen sie drei Jahre später den Namen „Moldavia“ an. An dieser Stelle wird der Name, der einen landsmannschaftlichen Charakter hat, zum ersten Mal erwähnt. So wollten die jungen Studenten auf ihre Heimat im Böhmerwald hinweisen, da die meisten von ihnen aus den Moldau-Städten Budweis oder Krumau kamen. Auch die Farbwahl rot-weiß-gold sollte die Herkunft zusätzlich unterstreichen. Rot-weiß-gold sind Landesfarben Böhmens (rot-weiß) und Mährens (gold-rot). Man gewann die meisten Bundesbrüder aus den Städten rund um die Moldau.
Die Ausrichtung unserer Moldavia war seit Beginn an ein Bekenntnis zum deutschen Volk gebunden, so daß man den burschenschaftlichen Strömungen nahestand. Dennoch erklärte man sich erst Anfang 1889 zur Burschenschaft. Gleichzeitig nahm man den heutigen schwarzen Deckel an. Der landsmannschaftliche Charakter blieb trotzdem erhalten, bis auch Studenten nichtböhmischer Herkunft in den Bund eintraten.
Höhen und Tiefen
So erfuhren wir zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Aufstieg, der seinen Höhepunkt in der ersten Republik haben sollte. Die Blütezeit unserer Burschenschaft brach an, als auch Wiener und Niederösterreicher in unsere Reihen fanden. Die ortsansässigen Bundesbrüder brachten dem Bund mehr Popularität und Zuwachs. Rasch stieg nicht nur die Mitgliederzahl, sondern auch die Anerkennung im burschenschaftlichen Lager. Erst 1907 sollte sich auch die Moldavia mit fast allen anderen Burschenschaften in Österreich zur „Burschenschaft der Ostmark“, dem Vorläufer der DBÖ, zusammenschließen. Nach den Schrecken des ersten Weltkrieges, der sieben Bundesbrüder das Leben kostete, war der Aufstieg in der ersten Republik rasant. Schon 1924 sollte unsere Moldavia die größte Aktivitas unter den Burschenschaften in Wien haben. Dabei halfen sicher auch die Zeichen der Zeit, da man sich nun freier zur deutschen Kulturnation in Österreich bekannte als im Kaiserreich. Unter den fast 200 Mitgliedern unserer Moldavia befanden sich auch einige Dozenten und Professoren der Wiener Universitäten.
Der Höhenflug sollte bis zum Jahre 1938 andauern, dann wurde Moldavia – wie alle anderen Verbindungen – aufgelöst. In den Jahren des zweiten Weltkrieges fanden regelmäßig Treffen der Bundesbrüder statt, doch sollte sich danach alles verändern. Zwar fand man nach dem Krieg wieder im Kreise der Moldaven zusammen, dennoch waren viele nach der Auflösung nicht wieder zurückgekehrt. Die schwierige Nachwuchsfrage spitzte sich bis 1969 immer weiter zu. Es waren Fusionen mit anderen Burschenschaften im Gespräch, bis man den Aktivenbetrieb vertagte.
Das dritte Standbein – das schwarzblaue Kartell
Begegnungen mit den heutigen Kartellbrüdern fanden schon Ende des 19. Jahrhunderts statt. Die ersten Aufzeichnungen über solche Verbindungen sind alte Gruppenfotos aus der Zeit um die Jahrhundertwende an unseren Wänden, die Grazer Germanen und Moldaven zeigen. Unter ihnen sieht man ein bis zwei Burschen der Thessalia mit ihren schwarzen Kranzmützen stehen. Die Burschen der Thessalia Prag und der Moldavia kannten sich schon aus der gemeinsamen Heimat des Böhmerwaldes. Mit Germania Graz gab es eine erste lose Verbindung bereits 1895. Der wohl ausschlaggebende Punkt der heutigen Vereinigung aller drei Burschenschaften war die Vertagung der Burschenschaft Germania in Graz, die 1913 ihren Betrieb aufgrund mangelnder Aktiver einstellen mußte. Schon kurz vor dem ersten Weltkrieg gab es Kontakte zwischen zwei alten Herren der Moldavia und den Germanen in Graz, die dann genutzt wurden.
Da das Einbandprinzip den Moldaven verbot, ein zweites aufzunehmen, beschloß man auf einem Allgemeinen Convent 1921 in Wien, ein Kartell unter dem Namen „ein Bund an zwei Hochschulorten“ zu gründen, so daß man die Germanen wieder reaktivieren konnte. Im Juni des gleichen Jahres wurde dann von Germanen und Moldaven der Kartellvertrag des „schwarzblauen Kartells“ unterschrieben. Dabei standen die blauen Deckel der Germania und die schwarzen der Moldavia bei der Namensgebung Pate. Für den Aktivenbetrieb wurden neun Moldaven als Stützburschen nach Graz geschickt, unter ihnen Carl Maria Platzer, der als erster Sprecher der Germania 1921 fungierte und sich später um das Kartell weiter verdient machte. Die neuen Germanen fanden sich schnell in Graz zurecht und verhalfen dem Bund zu Anerkennung im korporativen Lager. Auch wuchs das Verhältnis der Kartellbrüder rasch zu einem innigen bundesbrüderlichem Umgang zusammen. Im Jahre 1925 frischte auch die Germania ihre Beziehungen zur Thessalia wieder auf und begründete dies in einem offiziellen Freundschaftsverhältnis. So wurden auch unsere Moldaven, die bei den Thessalen schon bekannt waren, indirekt miteinbezogen.
Nach dem Krieg fanden auch die Kartellbrüder wieder zusammen. Obwohl die Thessalen einen Neuanfang in München wagen mußten, frischten sie 1960 das Freundschaftsverhältnis mit den Germanen auf und begründeten ein neues mit Moldavia. Man war sich nach kurzer Zeit einig, das Kartell um die Thessalen zu erweitern, und feierte 1961 auf dem Stiftungsfest der Thessalen die Erweiterung des „schwarzblauen Kartells“, welches nunmehr „Ein Bund an drei (!) Hochschulorten“ bedeuten sollte. Als Zeichen der engen Verbundenheit wurden Ehrenbänder des jeweiligen anderen Bundes an sechs Alte Herren vergeben, die sich schon vorher durch ihre Einsatzbereitschaft für das Kartell ausgezeichnet hatten: Auf Seiten Thessalias die Alten Herren Sperk und Tschuschner, auf Seiten Germanias die Alten Herren Aigner und Friedl und auf der Seite Moldavias die Alten Herren Honigl und Bachmann.
Trotz langer Vertagungen der Thessalia und der Moldavia blieben die Kartellbünde in engem Kontakt und boten sich auch in den schwierigen Zeiten immer gegenseitige Hilfe an. Seitdem Moldavia in Wien wieder aufgesperrt hat, läuft auch die Arbeit im Kartell wieder an. Nicht nur gegenseitige Besuche und der Austausch an den Hochschulstädten in Graz, Bayreuth oder Wien, sondern auch das gemeinsame Auftreten nach außen in burschenschaftlichen Fragen unterstreicht das enge Verhältnis im Kartell.
Das neue Heim
Erst 1995 gelang mit viel Engagement einiger Alter Herren die Reaktivierung des Bundes in Wien. Hierzu gewann man auf einen Schlag fünf neue Füchse. Mit zusätzlicher Hilfe zweier Wiener Verbandsbrüder konnte so der Betrieb wieder aufgenommen werden. Die Bude teilte man sich mit der pennalen Burschenschaft Germania im Stadtbezirk Penzing. Obwohl die Anfänge nur schleppend vorangingen und einige junge Bundesbrüder den Bund wieder verließen, konnte der Aktivenbetrieb aufrechterhalten werden.
Im letzten Jahr bot sich dann die Gelegenheit zum Umzug in ein eigenes Heim. Ein großzügiges Angebot der Österreichischen Landsmannschaft war die Chance auf einen Neubeginn. Ein altes Baubüro im ersten Stock des Hauses der Landsmannschaft wurde durch den beispiellosen Einsatz einiger Alter Herren umgebaut und für unsere Zwecke eingerichtet. Das neue Heim im achten Bezirk – dem Mittelpunkt korporativen Lebens in Wien – sollte sich als Glücksgriff erweisen. Den Einstand feierten wir mit fast hundert Gästen im Veranstaltungssaal der Landsmannschaft im Erdgeschoß, in dem wir auch Paukstunden halten und Mensuren fechten. Im Frühjahr dieses Jahres konnte dann die Bude mit den letzten Umbauarbeiten und Einrichtungsgegenständen vervollständigt werden. Seitdem herrscht reger Betrieb im neuen Heim, da viele Korporationen im gleichen oder im benachbarten siebten Bezirk untergebracht sind und man sich nun auch regelmäßig auf der Moldavenbude trifft.
Die Zukunft
Wir schauen auf fast drei Semester in der neuen Bude zurück und können zufrieden sein. Nicht nur, daß wir einige neue Bundesbrüder gewinnen konnten, auch unsere Bekanntheit haben wir gesteigert. Ausschlaggebend ist sicher die neue Lage, aber auch der unersetzliche Einsatzwillen vieler Bundesbrüder, sei es finanziell oder körperlich. Besonders versuchten wir uns nach außen hin zu positionieren mit Besuchen auf allen Verbandsveranstaltungen, um uns mit anderen Burschenschaftern bekanntzumachen und aktiv mitzuwirken. Dies soll auch weiterhin ein Ziel unserer Burschenschaft sein. Den aktuellen Entwicklungen im Verband sehen wir mit kritischem Blick entgegen. In Wien haben wir gelernt, dem medialen Druck von außen mit Geschlossenheit im Inneren zu begegnen, was sich als Mittel bewährt hat. Das vermissen wir innerhalb der Deutschen Burschenschaft sehr. Dabei spielen die persönlichen Gespräche und die Pflege der Kontakte zu anderen Verbandsbrüdern eine wichtige Rolle; im Zeitalter von Mobiltelefonen und Internet eine Leichtigkeit.
Seit wenigen Jahren stehen auch die Korporationen in Wien verschärft unter dem Druck medialer und politischer Verleumdung. Der Versuch, uns den WKR-Ball zu nehmen, der schon fast 60 Jahre in der Hofburg veranstaltet wird, ist gleichzeitig eine Methode, um korporatives Leben und Streben aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Damit nicht genug: Gezielte physische Angriffe auf Eigentum und Gesundheit rund um den Ball und teils von Parteien, teils von der ÖH (Österreichisches Hochschüler_innenschaft) betriebene geistige Brandstiftung sollen offensichtlich die Korporationen insgesamt einschüchtern und zurückdrängen. Dennoch haben wir mit unserem beharrlichen Festhalten an langjährigen Traditionen, wie dem wöchentlichen Farbenbummel an der Universität oder unserem Ball, gezeigt, daß wir damit Erfolg haben. Dabei fungiert der Wiener Korporationsring (WKR) als zentrale interkorporative Einheit. Nicht nur die einmal im Monat stattfindenden Konvente, sondern besonders die gemeinsamen Veranstaltungen binden uns so fest aneinander. Als Vorsitzende des WKR im kommenden Geschäftsjahr werden wir versuchen, wie schon viele vor uns, gute Arbeit zu leisten. Derzeit veranstalten wir Moldaven das sonntägliche Fußballspielen des WKR im Turnsaal des Hauses der Österreichischen Landsmannschaft und möchten damit die jungen Aktiven außerhalb von Hör- und Kneipsaal näher zusammenbringen.