Stiftungsfestrede

Werte Gäste, meine Damen, meine Herren, liebe Bundesbrüder,

Gustav Schwab, vor allem bekannt durch den Buchband „Sagen des klassischen Altertums“ schrieb 1814 in dem von ihm verfaßten Kommers-„Lied eines abziehenden Burschen“ :

Bemooster Bursche zieh‘ ich aus, behüt Dich Gott, Philisterhaus! Zur alten Heimat geh ich ein, muß selber nun Philister sein, zur alten Heimat geh ich ein muß selber nun Philister sein!“

Unser Kommersbuch ist voll von diesen Motiven der Vergänglichkeit und der schwärmerischen Sehnsucht zurück in die unbeschwerten Jugendtage als junger Bursch mit Lied, Lust, Wein und Gesang. Es ist voll von Vanitasmotiven, Bildern der Vergänglichkeit des Lebens. Und so hat sich für den Redner heute auch ein solch zitierter Schritt vollzogen – ich bin in unserem Kreise Alter Herr geworden und das durchdringt mich mit Stolz und wunderbarer, dankbare Freude.

Daher möchte ich die Vanitasmotive per se zurückstellen – ich komme zum Ende noch einmal in besonderer Weise darauf zurück.

Denn ich möchte lieber meine Freude über das Philistertum und über das Weiterreifen als Mensch, vor allem im Geiste, denn das ist ja auch ein erklärtes Ziel des von uns allen doch so stets gehegten Humanismus, zum Ausdruck bringen. Denn, Alter Herr, das muß man erst einmal werden!

Und 139 Jahre alt, muß man auch erst einmal werden – wir feiern heute wieder, sogar mit Mensur eines jungen Fuchsen, Stiftungsfest. Und als ich hierzu wußte, daß mir die große Ehre zuteil werden würde am diesjährigen Stiftungsfest die Altherrenrede halten zu dürfen, da dachte ich in Vorbereitung:

„Was ist sie Dir?“.

„Was ist Dir die Burschenschaft“?

„Was ist Dir, was ist uns – die Burschenschaft“?

Was ist sie in der Vergangenheit gewesen, was ist sie in der Gegenwart und wie wird sie in der Zukunft sein?

Da kamen mir zunächst ganz persönliche Bilder aus meiner burschenschaftlichen Vergangenheit hoch.  Aber auch die große Meta-Ebene schoß mir durch den Kopf. Die burschenschaftliche Geschichte per se!

Was haben Moldaven, was haben Burschenschafter in der Vergangenheit nicht alles bewirkt? Was nicht alles erlebt? Zwei Weltkriege, Not und Elend der 20er Jahre, die Kaiserreiche, den Freudentaumel des Deutsch-Französischen Kriegs und.. .. und, weiter, weiter, da fiel mir die Wurzel ein, im Jahre des Herrn 1813.

Ich hatte nämlich kurz vorher auch erst einen Artikel für unsere Moldavennetzseite beendet, der zum 200sten Jubiläum der Völkerschlacht bei Leipzig die Rolle der ur-burschenschaftlichen Reformbewegung einmal ins rechte Licht rücken sollte. Und da hatte mich beim Schreiben eine Stelle aus einer wissenschaftlichen Quelle besonders beeindruckt. Es war nämlich die Beschreibung des Wartburgfestes von 1817, initiiert durch die Jenaer Burschenschaft, dem symbolischen Anfang der Deutschen Bewegung des 19. Jahrhunderts. Die Radix, die Wurzel.

Eine Bewegung entsteht gegen die Unterdrückung Deutschlands durch Napoleon und macht Ihrem Ärger in der Völkerschlacht Luft.

Und diese richtige Beschreibung im Detail des Wartburgfestes, damals, mit Anführung des Denken und Handelns der Teilnehmer am Tag dort auf der Wartburg bei Eisenach, machte mir klar, was des Burschenschafters politisches Drängen und sein Wille noch einmal ganz genau und erstaunlicherweise so bis heute ist.

Für mich im Jahr 2013, hatte dieser Text von der Wurzel unserer burschenschaftlichen Bewegung nichts an Aktualität eingebüßt und auch für unsere derzeitige Vaterländische, Europäische Misere sinnhaft die Frage: „Burschenschaft, was bist Du mir heute?“ beantwortet.

Ich rezitiere aus diesem Artikel:

„Das Wartburgfest begann am 18. Oktober 1817, nachdem um sechs Uhr in der Frühe zum Aufstehen geläutet worden war und sich die Teilnehmer auf dem Eisenacher Marktplatz versammelt hatten. Dann begaben sich etwa tausend Menschen, neben 650 bis 800 Studenten viele Bürger der Stadt, den Burgberg hinauf, immer zu zweit gehend, hinter der schwarz-roten Fahne der Burschenschaft. Oben angekommen, trat man im Minnesängersaal zusammen, es wurde ein Gebet gesprochen und dann Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ angestimmt. Die Ansprache hielt ein junger Jenaer Theologiestudent, Heinrich Hermann Riemann, der seine Zuhörer an die schweren Prüfungen der Vergangenheit erinnerte und die glückliche Befreiung Deutschlands mit dem Auszug der Kinder Israel aus Ägypten in Beziehung setzte. Es folgte eine weitere kurze Ansprache, dann ein gemeinsames Mittagessen, bei dem zahlreiche Trinksprüche auf die „deutsche Freiheit“, auf Luther und die „Märtyrer der nationalen Sache – Schill, Scharnhorst, Friesen und Körner – ausgebracht wurden, schließlich kehrten die Versammelten in die Stadt zurück.

Den zweiten Höhepunkt nach der Zusammenkunft im Minnesängersaal bildete aber der abendliche Fackelzug auf den Wartenberg, der der Wartburg gegenüberliegt. Jetzt waren die Studenten fast unter sich, zogen wieder zu zweien und zweien wie eine leuchtende Schlange die Anhöhe hinauf. Auf der Kuppe des Wartenbergs entzündete man mehrere "Siegesfeuer", und der Philosophiestudent Ludwig Rödiger aus Jena hielt eine Ansprache, die sich im Ton und in der Schärfe deutlich von dem unterschied, was am Vormittag zu hören gewesen war: "In der Noth versprach man uns … ein einiges Vaterland der Gerechtigkeit, aber der theuer erkaufte Bundestag ist noch nicht angebrochen, und fast will es scheinen, als sei das Volk glühend erwacht, die Herrlichen gefallen, damit hochmüthige Ideenlosigkeit ein Freudenmahl halte von dem letzten Bissen des Landes…".

Hochmütige Ideenlosigkeit – das ist derzeit unser politisches Europa!

Und den letzten Bissen unseres Landes, den verfrühstücken gerade, jetzt im Jahr 2013, die Länder der süd- und osteuropäischen Habenichtse, die nichts zu diesem unverhofften Wohlstand beigetragen haben, sondern sich aus unserem Volksvermögen bedienen! Und die Entscheidung über den Euro und über all unser Geld, wird erst noch kommen – und meine Prognose ist, sie wird mit einer riesen Teuerungsrate und großen Inflation enden, denn diese riesigen Schuldenberge, die noch zu unseren eigenen dazukommen sind nicht mehr zu bezahlen. Und das aufzuzeigen, – DAS ist mir die Burschenschaft! Sie läßt sich, nicht durch den Zeitgeist korrumpieren, sondern legt im Sinne unseres Deutschen Vaterlandes seit 200 Jahren den Finger in die Wunde.

Akademisch und frei, dem Guten und Wahren durch alle Zeiten verpflichtet!

Und ich bin auch froh, daß ich als junger Student eine burschenschaftliche Erziehung genossen habe, die mich das akademisch-freie Denken gelehrt hat und mir gezeigt hat, hierfür auch auf Mensur mit der Waffe einzustehen.

Denn was wäre wohl gewesen, bliebe man Fink und würde – wie so viele andere, namenlose – einfach nicht in der Burschenschaft aktiv. Man studierte, würde in seinen Wissenschaften ausgebildet , ginge seinem Beruf nach, glaubte alles, was in den Leitmedien steht und endete dann als einziger Nebenbeschäftigung im Tennisclub. Was für eine Verödung!

Ich möchte zu diesem Abschluß die letzten Worte jemanden ganz Großen hierzu sprechen lassen – nämlich unseren Dichterfürsten Friedrich von Schiller!

Der stellte schon 1795 in seinen Abhandlungen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ folgendes zu dem nur dem Nutzen der Stunde, der reinen Pragmatik zugewandten Menschen fest:

Der Nutzen ist das große Idol der Zeit,

dem alle Kräfte fronen und alle Talente huldigen sollen.

Auf dieser groben Waage hat das geistige Verdienst der Kunst kein Gewicht, und aller Aufmunterung beraubt, verschwindet sie von dem lärmenden Markt des Jahrhunderts.

Auseinandergerissen wurden jetzt der Staat und die Kirche, die Gesetze und die Sitten.

Der Genuss wurde von der Arbeit, das Mittel vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung geschieden.

Ewig nur an ein einzelnes, kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück aus.

Ewig nur das eintönige Geräusch des Rades, das er umtreibt im Ohr, entwickelt er nie die Harmonie seines Wesens; und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts, seiner Wissenschaft.

Wir sehen ganze Klassen von Menschen nur einen Teil ihrer Anlagen entfalten, während das die übrigen - wie bei verkrüppelten Gewächsen - kaum mit matter Spur angedeutet sind.

Die Vernunft hat geleistet, was sie leisten kann.

Hat sie bis jetzt ihre siegende Kraft noch so wenig bewiesen, so liegt dies nicht an dem Verstande, der sich nicht zu entschleiern wusste, sondern an dem Herzen, dass sich ihr verschloss.

Das Zeitalter ist aufgeklärt - woran liegt es, dass wir noch immer Barbaren sind..??

Nach dem Lesen, dieses Gedichtes fühlte ich mich bestätigt. Wir haben Recht - wir Burschenschafter haben Recht!

Wir mit unserem festen Wertegefüge in einer immer werteloser werdenden Gesellschaft haben Recht! Und wie froh und seelig können wir sein, dass wir Burschenschafter nicht bloß ein Freundschaftsclub sind, sondern einen Wertekanon seit Fuchsenzeiten an erzieherisch vermittelt bekommen, der sich in drei Klängen grob gesagt als Ehre, Freiheit, Vaterland zusammenfasst.

Und DAS ist mir die Burschenschaft!

Und darauf möchte ich trinken - auf weitere 139 Jahre Moldavia!

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Wappen der B! Moldavia